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Bei dem schweren Standseilbahn-Unglück in Portugals Hauptstadt Lissabon hat es auch deutsche Opfer gegeben. Die portugiesische Online-Zeitung "Observador" berichtete am Donnerstag unter Berufung auf eine Polizeiquelle über den Tod eines deutschen Familienvaters. Seine Frau schwebe in Lebensgefahr, ihr dreijähriger Sohn habe leicht verletzt überlebt. Die örtlichen Behörden sprachen von zwei Deutschen unter den 21 Verletzten, die Nationalität der inzwischen 16 Todesopfer soll erst später mitgeteilt werden.
"Leider müssen wir davon ausgehen, dass sich auch deutsche Staatsangehörige unter den Betroffenen befinden", hieß es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Zu ihrer Anzahl gebe es derzeit noch keine verlässlichen Angaben, die Lage nach dem Unglück vom Mittwochabend sei weiter "unübersichtlich".
Ein Vertreter der Rettungskräfte bestätigte, dass ein dreijähriges Kind unter den Verletzten sei, nannte dessen Nationalität jedoch nicht. Der Zivilschutz in Lissabon sprach von zwei Verletzten aus Deutschland. Demnach waren mindestens elf Ausländer unter den 21 Verletzten: außer den beiden Deutschen auch zwei Spanier, eine Französin, ein Italiener, ein Schweizer sowie jeweils ein Mensch aus Kanada, Südkorea, Marokko und den Kap Verde.
Die Zahl der Todesopfer stieg nach dem Tod eines Verletzten in der Nacht auf 16, wie Portugals Regierungschef Luis Montenegro mitteilte. Er korrigierte damit vorherige Angaben der örtlichen Behörden über 17 Tote. Zudem gebe es fünf Schwerverletzte, es handele sich um eine "der größten menschlichen Tragödien unserer jüngeren Geschichte", erklärte Montenegro.
Die Sprecherin des städtischen Zivilschutzes, MargaridaCastro, machte zur Identität der Toten keine Angaben. Bei den 15 Menschen, die sofort starben, handelte es sich um acht Männer und sieben Frauen.
Die Gesamtzahl der Toten und Verletzten entspricht in etwa dem maximalen Fassungsvermögen der Standseilbahn, die täglich Lissabons steile Hügel hinauf- und hinabfährt und zu den touristischen Attraktionen der portugiesischen Hauptstadt gehört. Die Unglücksursache war noch unklar. Am Donnerstagmorgen waren immer noch Ermittler rund um das Seilbahnwrack im Einsatz.
Portugiesische Medien zitierten eine Augenzeugin, wonach am Mittwochabend eine der gelben Standseilbahnen am Ende ihrer Strecke erst kurz hinter der eigentlichen Haltestelle abrupt zum Stehen gekommen sei. Die Augenzeugin und andere Menschen seien herbeigeeilt, um den Passagieren beim Aussteigen zu helfen, und hätten dann bemerkt, dass eine andere Standseilbahn in vollem Tempo die abschüssige Straße hinuntergerast sei. Sie seien daher weggerannt, doch die Seilbahn habe nicht den zuvor eingetroffenen Wagen gerammt, sondern sei in einer leichten Kurve entgleist und gegen ein Gebäude geprallt.
Mehrere portugiesische Medien nannten den Bruch eines Sicherheitskabels als mögliche Unglücksursache und äußerten Zweifel an einer ordentlichen Wartung. Die Stadtverwaltung setzte vorsorglich den Betrieb der übrigen drei Standseilbahnen in Lissabon aus. Zunächst soll ihre Funktionstüchtigkeit und Sicherheit überprüft werden, kündigte Zivilschutz-Sprecherin Castro an.
Das Unternehmen Carris, das den Nahverkehr in Lissabon betreibt, hatte zuvor versichert, dass "alle Wartungsprotokolle" eingehalten worden seien. Demnach erfolgte 2022 die alle vier Jahre fällige Generalwartung und 2024 die alle zwei Jahre vorgenommene Zwischenwartung. Carris-Chef Pedro Bogas räumte am Unglücksort allerdings ein, dass sich bereits seit 14 Jahren ein Subunternehmen um die Wartung kümmere.
Die portugiesische Regierung rief für Donnerstag einen nationalen Trauertag aus. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekundete in einer Kondolenzbotschaft sein "tief empfundenes Beileid". "Wir teilen die Trauer und den Schmerz in diesen schweren Stunden", schrieb Steinmeier im Namen der Deutschen. "Unsere Gedanken sind bei den Opfern dieses tragischen Standseilbahnunglücks", hieß es auch aus dem Auswärtigen Amt.
Die "Gloria"-Standseilbahn wurde 1885 in Betrieb genommen und 1915 an das Stromnetz angeschlossen. Das Unglück löste bei Lissabons Bürgern und Touristen Erschütterung aus.
Der spanische Urlauber António Javier war zugleich erleichtert, dass er, seine Frau und ihre beiden Kinder dem Unglück entgingen. "Wir hatten gerade darüber geredet, dass wir die Standseilbahn nehmen wollen", sagte der 44-Jährige der Nachrichtenagentur AFP. Dann habe es dort aber eine Schlange gegeben "und wir sind nicht eingestiegen".
I.Horak--TPP