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Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hält laut einem Bericht des Berliner "Tagesspiegel" eine Weiterführung des Zertifizierungsverfahrens für das umstrittene deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2 für möglich. "Grundsätzlich kann eine Wiederaufnahme des ruhenden Verfahrens aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums mittelfristig nicht ausgeschlossen werden", heißt es demnach in einer Antwort des Ministeriums an die Deutsche Umwelthilfe (DUH), aus der am Mittwoch das Medium "Tagesspiegel Background" zitierte.
Dazu müsse allerdings die Nord Stream 2 AG "die Gründe für die Aussetzung des Verfahrens beheben", heißt es in der Antwort demnach weiter. Eine Zertifizierung ist die rechtliche Voraussetzung für eine Inbetriebnahme der Pipeline. Das Zertifizierungsverfahren war am 16. November 2021 vorläufig ausgesetzt worden.
Vor einer Wiederaufnahme müsste das Unternehmen laut Bundeswirtschaftsministerium "die formellen Voraussetzungen des Energiewirtschaftsgesetzes an einen Unabhängigen Transportnetzbetreiber" erfüllen. Auch müsste das deutsche Teilstück der Pipeline auf eine inländische Gesellschaft übertragen werden, die auch den Betrieb übernehmen müsste. Vor einer Zertifizierung wäre demnach zudem eine Sicherheitsbewertung und Unbedenklichkeitserklärung des Bundeswirtschaftsministeriums erforderlich.
Die EU hat in ihrem 18. Sanktionspaket gegen Russland am 18. Juli 2025 ein vollständiges "Transaktionsverbot" für Nord Stream 2 verhängt, um jede künftige Nutzung der Pipeline auszuschließen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am 28. Mai zugesagt, er werde sich gegen eine Inbetriebnahme der Pipeline einsetzen. Einer der beiden Stränge der Pipeline war bei den Sprengstoffanschlägen am 26. September 2022 beschädigt worden, der andere jedoch wäre technisch für den Transport von Gas einsatzbereit.
Weiter hieß es in "Tagesspiegel Background", eine noch in der Amtszeit von Reiches Amtsvorgänger Robert Habeck (Grüne) erstellte negative Bewertung des Bundeswirtschaftsministeriums zu Nord Stream 2 werde dort unter Verschluss gehalten. Aus dem Dokument vom 18. Oktober 2022, das dem Medium vorliege, geht demnach hervor, dass eine Zertifizierung von Nord Stream 2 als Gefahr für die Versorgungssicherheit Deutschlands und der EU einstuft wird.
Verwiesen werde vor allem auf die Unzuverlässigkeit Russlands als Gaslieferant. "Aufgrund der aktuellen Erfahrungen ist es wahrscheinlich, dass diese Leitung von russischer Seite als weiteres Instrument eingesetzt würde, um Gaslieferungen als politisches Druckmittel einzusetzen oder – wie es sich im gegenwärtigen Kontext des Krieges gegen die Ukraine darstellt – die Frage der Erfüllung von Gaslieferungen gleichsam als Waffe einzusetzen", zitierte "Tagesspiegel Background" aus der Bewertung.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes und des Informationsfreiheitsgesetzes Einblick in die Bewertung beantragt. Das Ministerium lehnte dies dem Bericht zufolge mit der Begründung ab, dass die Bewertung nach der vorläufigen Aussetzung des Zertifizierungsverfahrens für Nord Stream 2 nicht fertiggestellt worden sei und dass eine kurzfristige Fortsetzung des Verfahrens unwahrscheinlich sei.
A.Slezak--TPP