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Vor dem Hintergrund eines russischen Angriffs mit 25 Toten und mehr als 90 Verletzten in der Westukraine hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf eine Wiederbelebung der Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew gepocht. Bei seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch in Ankara hätten beide "betont, dass der Istanbul-Prozess mit einem pragmatischen und ergebnisorientierten Ansatz fortgesetzt werden muss", sagte Erdogan. US-Vertreter waren bei dem Treffen nicht anwesend. Derweil wurde über angebliche Geheimgespräche zwischen Moskau und Washington über einen Ukraine-Friedensplan spekuliert.
Die Türkei unterhält gute Beziehungen zu Russland und zur Ukraine und hat sich seit Beginn des Ukraine-Krieges als Vermittler zwischen Kiew und Moskau angeboten. Erdogan sagte nach dem Treffen mit Selenskyj, der sich weiter verschärfende Krieg zwischen Russland und der Ukraine mache eine Wiederbelebung der Gespräche nötig. "Wir sind stets bereit", Vorschläge mit Moskau zu diskutieren, betonte der türkische Präsident und lobte den Einsatz "unseres Verbündeten, der USA".
Selenskyj sagte nach dem Gespräch im Präsidentenpalast in Ankara, er hoffe auf eine Wiederaufnahme des Gefangenenaustausches mit Russland Ende des Jahres, "um eine bedeutende Zahl von Gefangenen zurückholen zu können".
Ziel von Selenskyjs Besuch in Ankara sei es gewesen, Washington wieder in den Friedensprozess einzubinden, sagte ein ukrainischer Beamter der Nachrichtenagentur AFP. Doch der US-Sondergesandte Steve Witkoff nahm - entgegen vorherigen Angaben - nicht an dem Treffen teil.
Von ukrainischer Seite hatte es am Dienstag geheißen, dass Selenskyj in Ankara sowohl Erdogan als auch Witkoff treffen werde. Der US-Sondergesandte bestätigte seine Teilnahme zunächst nicht, Medien berichteten über eine Absage seiner geplanten Reise.
Am Mittwochnachmittag kam ein offizielles Dementi: "Es ist falsch, dass der US-Sondergesandte Witkoff in die Türkei reisen wird", erklärte ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums. Der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak hatte zuvor erklärt, im "ständigen Austausch" mit Witkoff zu stehen.
Moskau hatte seinerseits erklärt, keine Vertreter nach Ankara zu schicken. Russland sei aber weiter "offen" für Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe in der Ukraine.
Ein US-Medienportal berichtete zudem über angebliche Geheimgespräche zwischen Moskau und Washington über einen Ukraine-Friedensplan. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow lehnte es am Mittwoch ab, sich dazu zu äußern. "Es gibt nichts Neues, worüber wir Sie informieren können", antwortete er auf eine Journalistenfrage zu dem Bericht des Nachrichtenportals "Axios".
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte vor Journalisten in Berlin, die Bundesregierung und die zuständigen Berater seien "mit der amerikanischen Regierung in engem und täglichem Kontakt" dazu, "ob wir hier möglicherweise zu einem entsprechenden Plan kommen können". Allerdings sei es "im Augenblick nicht absehbar, ob das kurzfristig zu einem Ergebnis führt", fügte er hinzu.
Nach den Worten von Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat Deutschland keine Kenntnis von den angeblichen Geheimgesprächen. Deutschland sei über den 28-Punkte-Plan "nicht gebrieft" worden, sagte Wadephul am Mittwoch auf Nachfrage vor Journalisten in Berlin. Er verwies auf die "laufenden Anstrengungen aller internationalen Partner, endlich dafür zu sorgen, dass Präsident Putin an den Verhandlungstisch kommt".
So verstehe er auch die derzeit stattfindenden "gemeinsamen Treffen" in der Türkei "und alles, was in diese Richtung führt", fügte Wadephul hinzu. Allerdings konzentriere sich Deutschland darauf, "die Ukraine zu unterstützen". Zu einem Verhandlungsprozess gebe es "keine Alternative".
Delegationen aus Russland und der Ukraine trafen sich seit Mai zu drei Verhandlungsrunden in Istanbul, bei denen der Austausch von Gefangenen und die Rückgabe getöteter Soldaten vereinbart wurde. Fortschritte in Richtung einer Waffenruhe gab es bei den Treffen in der Türkei aber nicht. Moskau lehnte eine Feuerpause ab. Die russische Armee setzte vielmehr ihre Angriffe auf ukrainische Städte mit unverminderter Härte fort, darunter Charkiw, Lwiw, Iwano-Frankiwsk, Ternopil.
Allein aus Ternopil wurden am Mittwoch 25 Tote gemeldet. Ukrainischen Rettungskräften zufolge wurden zudem 92 Menschen bei den Angriffen in der Stadt verletzt, darunter 18 Kinder. Aus Charkiw wurden mindestens 46 Verletzte infolge russischer Bombardements gemeldet. "So also sieht Russlands 'Friedensplan' wirklich aus", sagte der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, am Vortag in Woronesch im Südosten Russlands einen ukrainischen Angriff mit ATACMS-Raketen aus US-Produktion abgewehrt zu haben. Die vier Raketen seien abgeschossen worden und herabfallende Trümmer hätten eine Klinik und ein Waisenhaus beschädigt.
F.Vit--TPP