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Wenn eine katholische Organisation einer Angestellten wegen ihres Kirchenaustritts kündigt, kann das nach einem neuen Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Diskriminierung sein. Diese Auffassung vertrat die zuständige Generalanwältin Laila Medina in ihren am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten Schlussanträgen zu einem Fall aus Deutschland. Es ging um eine Sozialpädagogin, die in einem katholischen Verein für Schwangerschaftsberatung arbeitete. (Az. C-258/24)
Von 2013 bis 2019 war sie in Elternzeit und trat unterdessen aus der katholischen Kirche aus. Versuche des kirchlichen Arbeitgebers, sie zum Wiedereintritt zu bewegen, scheiterten. Daraufhin kündigte der Verein der Sozialpädagogin. Durch ihren Kirchenaustritt habe sie "schwerwiegend gegen ihre Loyalitätsobliegenheiten verstoßen". Allerdings sind in der Beratungsstelle auch zwei Beraterinnen tätig, die der evangelischen Kirche angehören.
Wegen ihres im Grundgesetz verankerten Selbstbestimmungsrechts haben die Kirchen nach deutschem Recht in der Regel einen besonders großen Spielraum. Nach Überzeugung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt hängt es daher vom EU-Recht ab, "ob die Ungleichbehandlung der Klägerin mit Arbeitnehmern, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, gerechtfertigt sein kann". Es legte den Fall dem EuGH vor.
Generalanwältin Medina vertrat nun die Ansicht, dass sich die Kündigung in einem solchen Fall nicht rechtfertigen lasse. Eine Kündigung wegen Kirchenaustritts sei nur dann möglich, wenn der Beruf es erfordere, Kirchenmitglied zu sein, und wenn die Arbeitnehmerin öffentlich gegen das Ethos der Kirche handle.
Ein Kirchenaustritt allein bedeute noch nicht, dass die Mitarbeiterin die Grundprinzipien und Werte der Kirche nicht weiter befolge und ihre Pflichten nicht mehr erfülle, erklärte die Generalanwältin.
Die europäischen Richterinnen und Richter müssen sich nicht an das juristische Gutachten halten. Sie orientieren sich aber bei ihren Urteilen oft daran. Ein Termin für das Urteil wurde noch nicht bekanntgegeben. Den konkreten Fall muss später das deutsche BAG entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des EuGH berücksichtigen.
O.Ruzicka--TPP